Im Neuwieder Becken befindet sich das größte Trinkwasserschutzgebiet im nördlichen Rheinland-Pfalz mit hoher Wasserqualität. Die Stadtwerke Neuwied und der Landkreis Neuwied betreiben hier die Wassergewinnungsanlagen "Engerser Feld". Die derzeitige Förderung beträgt etwa sieben Millionen Kubikmeter im Jahr. Ein Ausbau der Förderung auf 13,7 Millionen Kubikmeter ist geplant um mittelfristig den Anschluß weiterer Gemeinden im Kreisgebiet, deren eigene Wasserversorgung dauerhaft nicht sicherzustellen ist, zu ermöglichen. Bereits 1975 wurde per Rechtsverordnung ein Wasserschutzgebiet festgesetzt. Aufgrund veränderter Erkenntnisse erfolgte 1991 die Veröffentlichung einer neuen Schutzverordnung mit deutlich strengeren Auflagen durch die Bezirksregierung Koblenz. Mit der Umsetzung der Schutzverordnung wurde begonnen. Durch zahlreiche bestehende und geplante Nutzungen ergeben sich jedoch erhebliche Konflikte (siehe unten).
Hydrogeologische Situation
Der genutzte Grundwasserleiter (Aquifer) liegt in den Niederterrassenkiesen des nördlichen Neuwieder Beckens. Seine mittlere Mächtigkeit beträgt 10 bis 12 Meter. Deckschichten aus Lehm, Löß und Bims sind in geringer Mächtigkeit vorhanden. Der devonische Untergrund kann als annähernd dicht angenommen werden. Die Hauptgrundwasserströmung verläuft in der Niederterrasse von Ost nach West. Von der nördlichen Mittelterrasse erfolgt nur ein geringer oberflächennaher Grundwasserzufluß.
Hoch- und Niedrigwasserperioden bewirken Veränderungen der Grundwasserströmungsverhältnisse. Bei Mittelwasser erhalten die Wasserwerke hauptsächlich Zufluß aus der Niederterrasse (etwa 70 %). Bei Niedrigwasser des Rheins gibt der Aquifer Grundwasser an den Rhein ab. Bei Rheinhochwasser fließt verstärkt Grundwasser vom Rhein her in den Aquifer. Der Anteil an Uferfiltrat in den Trinkwasserbrunnen wurde von verschiedenen Gutachtern unterschiedlich eingeschätzt. Er schwankt je nach Hochwasserstand des Rheins zwischen 30 und 70 %.
Die Fließgeschwindigkeiten im Grundwasser liegen im Mittel bei 1 Meter pro Tag. Hieraus resultieren entsprechend lange Fließzeiten. Vom Rhein bis zu den Brunnen benötigt das Uferfiltrat je nach Fließweg etwa 1 bis 10 Jahren. Die Fließgeschwindigkeiten können sich bei einer stark erhöhten Wasserförderung jedoch erheblich verkürzen. Dies könnte zu Einbußen bei der Trinkwasserqualität führen.
Wasserqualität
Die Grundwasserqualität im Bereich des "Engerser Feldes" ist aufgrund der hohen Filterleistung des Grundwasserleiters (Kiese, Sande) gut. Eine Aufbereitung des Wassers sowie eine Chlorierung sind nicht erforderlich. Bei Bedarf wird im Sommer eine geringe Transportchlorierung vorgenommen. Hydrochemische Untersuchungen haben gezeigt, daß die Nitratwerte im Grundwasser mit zunehmendem Abstand vom Rhein infolge der weiter landseitig verstärkten landwirtschaftlichen Nutzung zunimmt. Die Nitratgehalte in den beiden großen Baggerseen zeigen relativ niedrige Werte.
Gesamtnutzungskonzept "Engerser Feld"
Um eine langfristige und effektive Sicherung der Trinkwasserversorgung zu gewährleisten sind die Kreisverwaltung Neuwied und die Stadtwerke Neuwied GmbH seit 1993 mit der Erstellung eines Gesamtnutzungskonzeptes für das Wasserschutzgebiet "Engerser Feld" befaßt. In einem ersten Schritt wurden umfangreiche Grundlagendaten erhoben und eine Auswertung begonnen. Ziel ist die Sicherung der Trinkwasserversorgung durch Umsetzen der Schutzverordnung und Gestaltung des Geländes nach ökologischen und Naturschutzgesichtspunkten unter Einbeziehung der Interessen der Wirtschaftsunternehmen.
Nutzungskonflikte und Maßnahmen
Im Wasserschutzgebiet "Engerser Feld" sind rund 250 mehr oder weniger stark gefährdende Betriebe im Einzugsbereich registriert. Ca. 36 % der Gewerbebetriebe gehen mit wassergefährdenden Stoffen um. Hierzu zählen u.a. Lagerplätze für Autowracks und Kraftfahrzeugschrott, Tankstellen, Tanklager sowie Speditionen. Es besteht die Gefahr, daß durch unbemerktes Versickern wassergefährdende Substanzen ins Grundwasser gelangen. Im Industriegebiet "Distelfeld" wurde beispielsweise jüngst eine Verunreinigung mit Perchlorethen im Grundwasser festgestellt. Die Untersuchungen zur genaueren Erforschung der Verunreinigung dauern noch an.
Einzelne Betriebe, die mit größeren Mengen wassergefährdender Stoffe umgehen, sind durch die Sandoz-Kommission (siehe Abschnitt Grundwasser, Lagerung und Transport wassergefährdender Stoff) überprüft worden. In der engeren Schutzzone (Zone II) befindet sich eine Tankstelle, die entgegen der Schutzverordnung bis heute noch betrieben wird. Von drei weiteren in der Schutzzone III A gelegenen Tankstellen wurde bisher erst eine ausgesiedelt und das Gelände saniert; an einer zweiten Tankstelle erfolgten 1995/96 Sanierungsmaßnahmen (Abdichtung gegenüber dem Grundwasser). Bezüglich der dritten, im Stadtteil Engers gelegenen Tankstelle wurden bisher keine Maßnahmen eingeleitet.
Das Industriegebiet "Distelfeld" gehört zum Einzugsgebiet der Trinkwasserbrunnen, wurde jedoch aus dem Wasserschutzgebiet herausgenommen, damit für dieses Gebiet nicht die hohen Auflagen der Schutzverordnung zum Tragen kommen. Zur Sicherung der Wassergewinnungsanlagen vor einem Eintrag aus dem Bereich des Industriegebietes wurde ein Abschirmbrunnen eingerichtet. Es muß sich jedoch noch herausstellen ob dieser Brunnen auch vor den Auswirkungen eines Unfalles ausreichenden Schutz gewährleistet.
Altablagerungen
Im Wasserschutzgebiet befinden sich 44 kartierte Altablagerungen. Weitere 14 Altablagerungen liegen im unmittelbaren Randbereich des Schutzgebietes. Zur Zeit werden umfangreiche Untersuchungen und Gefährdungsabschätzungen durchgeführt. Bei den Abfällen handelt es sich zumeist um Bauschutt, Erdaushub und Siedlungsabfall, teilweise sind jedoch auch Sonderabfälle zu verzeichnen. Einzelne Altablagerungen in der Zone IIIA reichen bis in den Grundwasserkörper. Hydrochemische. Beobachtungen ergeben, daß bisher nur vereinzelt Belastungen mit geringen Konzentrationen aus den Altablagerungen im Grundwasser festzustellen sind. Die Altablagerungen stellen jedoch eine permanente Gefährdung dar. Insbesondere bei Hochwasserereignissen könnten durch die fluktuierenden Grundwasserstände Schadstoffe aus Altablagerungen ausgewaschen werden.
Ziel muß daher die Sanierung aller Flächen in der Zone III A sein. Hier sind enorme Kosten zu erwarten.
Gesteinsabbau
Im Wasserschutzgebiet befinden sich großflächige Kiesabbauflächen und Baggerseen. Über die offenen Wasserflächen können Schadstoffe aus der Luft oder durch ungeregelte Freizeitnutzung in den Seen rasch ins Grundwasser gelangen. Nach der neuen Rechtsverordnung ist der Kiesabbau nur noch in der Schutzzone III B zulässig. Die Auskiesung in der Zone III A wurde bis auf eine Ausnahme - die Genehmigung geht auf die Zeit vor der Verordnung zurück - eingestellt. Jeglicher Badebetrieb in den Baggerseen ist verboten.
Landwirtschaftliche Nutzung
Seit 1991 unterliegt die Landwirtschaft im Wasserschutzgebiet strengen Auflagen. Aufgrund der hohen Grundwasserbeeinträchtigung durch den Düngemitteleinsatz (Nitrat, Kalium) sind die Landwirte verpflichtet für Flächen im Wasserschutzgebiet Düngepläne zu erstellen. Die aufgebrachte Düngemittelmenge darf den Verbrauch durch die Pflanzen nicht übertreffen. Eine Kontrolle erfolgt über zwei mal jährlich durchzuführende Beprobung zur Untersuchung des Nitrat-Stickstoffs im Boden. Das Unterschreiten des geltenden Grenzwertes im Trinkwasser ist durch Mischen des gewonnen Wassers gewährleistet.
Abwasserkanäle
Die im Wasserschutzgebiet verlaufenden Abwasserkanäle werden derzeit auf Dichtheit überprüft und gegebenenfalls saniert. Die Kontrollen werden im fünfjährigen Turnus wiederholt. Bei einer aufgrund Sondergenehmigung durchgeführten Bebauung in der Schutzzone II nutzte die Stadt Neuwied den Zeitraum vor Inkrafttreten der Schutzverordnung aus, um die in der Verordnung geforderten Schutzmaßnahmen, doppelwandige Rohre für Abwasserkanäle, nicht umsetzen zu müssen.
Verkehrswege
Insgesamt führen eine große Anzahl Straßen durch das Wasserschutzgebiet. Von besonderer Bedeutung sind die stark frequentierten Bundesstraßen B 42 und B 256. Letztere ist im Wasserschutzgebiet nach der Richtlinie für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wasserschutzgebieten (RiStWag) ausgebaut. Die anfallenden Niederschlagswässer werden gesammelt und über eine Kanalisation in Oberflächengewässer außerhalb des Wasserschutzgebietes geleitet. An der B 42 wurden die Straßenabwässer auch im Bereich der Wasserschutzzonen bisher versickert. Der Ausbau nach RiStWag ist derzeit in Planung.
In geringer Entfernung von der Wasserschutzzone II verläuft eine stark frequentierte Bundesbahntrasse. Mit täglich etwa 300 Güterzügen ist sie eine der meist befahrenen Güterbahnstrecken Deutschlands. Vorkehrungen zum Wasserschutz sind nicht vorhanden und bisher von der Bahn AG auch nicht vorgesehen. Sickerschächte für die Entwässerung der Gleisanlage befinden sich im Bereich des direkt an das Wasserschutzgebiet angrenzenden Güter- und Rangierbahnhofes Neuwied. In einzelnen Brunnen des "Engerser Feldes" wurden in der Vergangenheit Herbizide in geringen Konzentrationen nachgewiesen, die vermutlich auf die Wildkrautbekämpfung auf den Gleisanlagen zurückzuführen sind.
Für die Bahntrasse ist die Errichtung von Wasserschutzmaßnahmen, vergleichbar mit den für Straßen bestehenden Richtlinien und der vollständige Verzicht auf Herbizide im Wasserschutzgebiet zu fordern.
Hochwasserereignisse
Hochwasserereignisse stellen aufgrund der Schadstoffbelastungen im Rhein grundsätzlich eine Belastung des Grundwassers dar. Messungen zeigen, daß die Schadstoffracht des Rheinwassers bei Hochwasser gegenüber Mittelwasser erhöht ist. Als Ursache sind neben unbeabsichtigtem Eintrag von Schadstoffen auch absichtliche Einleitungen wahrscheinlich.
Ein Erddeich schützt das Wasserschutzgebiet vor Überflutung bis zu einem nach heutigen Erkenntnissen 150-jährlichen Hochwasserereignis. Bei einem 200-jährlichen Hochwasser würde der Damm überflutet und die in einem alten Rheinarm gelegenen Wassergewinnungsanlagen überschwemmt werden.